DER HISTORISCHE CONSUM
1864 initiierte Gustav Haggenmacher, Generaldirektor der eben gegründeten „Marienthaler und Trumauer Actien-Spinn-Fabriks-Gesellschaft“, für die Arbeiterschaft der Textilfabrik Marienthal den „Consum-Verein Marienthal“. Dessen Verwaltung und Leitung befanden sich in den Händen der Arbeiterschaft, allerdings mit der Fabriksdirektion als Präsidium. Das Kapital des Vereins war ein zinsfreies Darlehen der Textilfabrik Marienthal. Die Beiträge der Mitglieder konnten in Raten bezahlt werden, und die Preise der en gros eingekauften Lebensmittel lagen für die Vereinsmitglieder in den 1860er-Jahren ebenso wie Ende der 1920er-Jahre zwischen 15 und 25 Prozent unter den ortsüblichen. Für diesen Verein ließ die Fabrikleitung 1864 ein eigenes Lager- und Verkaufsgebäude, kurz „Consum“ genannt, erbauen.
Ausschnitt aus dem Plan 1:500 von David Valentin Junk aus 1896:
Darstellung des „Komplexes Arbeiterwohnhaus Altgebäude“ (99 bis 102) dem im Hof straßenseitig gelegenen „Consum“ mit dem Verkaufslokal (106), den dazugehörigen Lagern (105 und 107) sowie den angebauten Holzlagen (104) und dem Brunnen vor dem Eingang (133).
Links des Altgebäudes befindet sich die „Waschküche“ mit dem „Montessoriheim“ (150).
Quelle: AGSÖ, Virtuelles Bildarchiv Marienthal.
Postkarte „Marienthal bei Gramat Neusiedl“ um 1898
Verlag: Franz Schmoranz, Quelle: Reinhard Müller
Der Consum, im Hof des Arbeiterwohnhauses Altgebäude an der Hauptstraße 64 gelegen, hatte drei Trakte mit insgesamt 65 Quadratmetern verbauter Grundfläche. Es befanden sich im Mitteltrakt ebenerdig das Verkaufslokal und im Halbstock ein Magazin, im jeweils eingeschoßigen Nord- und Südtrakt je ein Magazin.
Vor dem Gebäude gab es einen größeren Platz mit einem Brunnen: ein beliebter Treffpunkt der Marienthaler Arbeiterschaft.
Nach Schließung der Textilfabrik Marienthal 1929 und 1930 erwarb der „Consum-Verein Marienthal“ im Februar 1932 die erhalten gebliebene Warenlegerei und das Magazin des ehemaligen Bleiche- und Appreturkomplexes der Textilfabrik und richtete dort sein neues Verkaufslokal ein.
Auszug aus dem Plan der Textilfabrik Marienthal 1930
Rot dargestellt: Standort des neuen Verkaufslokals
Das alte Consum-Gebäude stand nunmehr leer. Nach 1945 wurde es vorübergehend wieder vom „Consum-Verein Marienthal“ (er ging 1948 in der „Konsum Genossenschaft Leitha-Heideboden, reg. Gen.m.b.H.“ auf) und danach einige Zeit als Parteilokal der „Kommunistischen Partei Österreichs“ (KPÖ), Ortsgruppe Gramatneusiedl, zuletzt als Werkstätte und Lager genutzt.
Foto um 1980
Quelle: AGSÖ, Bildersammlung Mario Thau
Im Film „Einstweilen wird es Mittag“ von Karin Brandauer diente das Gebäude, mit Kulissen verbaut, als Arbeiterheim Weißenberg.